Predigttext: Markus 14, 3-9
Und als er [Jesus] in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Liebe Gemeinde,
diese Frau hat Jesus zugewandt - voller Überschwang, voller Hingabe, liebevoll und zärtlich.
Sie hat ihn mit kostbarem Öl gesalbt.
Ich habe erlebt, wie eine Schwester im Krankenhaus eine Patientin mit duftendem Lavendelöl vorsichtig massiert hat. Es tut gut, jemandem so liebevoll zu begegnen. Ein wunderbarer Duft erfüllte dann das Zimmer. Bis heute erinnere ich mich daran. Und ich habe es selbst in der Schule erfahren, wie Schülerinnen und Schüler da ganz dabei waren, mit allen Sinnen, wenn wir einander die Hand mit duftendem Öl gesalbt haben – das tut gut.
Ich wünsche von ganzem Herzen, dass Sie neben allem, was Sie umtreibt, was nicht einfach ist, dass Sie etwas erleben, das wenigstens für einen Moment guttut, wohltut, einen Augenblick oder länger keine Schmerzen mehr, Ruhe und Entspannung. Ein Bild, Musik, wohltuende Worte, Stille, oder noch etwas ganz anderes, dass für Sie gut ist.
Bei Jesu damals, diese Frau hat Jesus mit einem besonderen Öl gesalbt. Eine Überraschung für alle, dort waren. Für viele damals war das nicht zu verstehen. Kein normales Olivenöl! Diese Narden-Öl war so kostbar! Es kostet so viel wie ein Landarbeiter damals in einem ganzen Jahr verdiente.
Auf welcher Seite würden Sie stehen in dieser Geschichte? Wenn Sie nicht wüssten, was Jesus dazu sagt. Würden Sie eher der Frau Recht geben oder ihren Kritikern?
Die Frau ist auch eine Verschwenderin. Mit Distanz btrachtet: Sie handelt in diesem Moment außergewöhnlich. Das Salböl gießt sie in einem einzigen Moment über den Kopf Jesu. Und der Duft …, dieser wunderbare Duft. Diese Frau sieht nur noch Jesus. Und überschüttet ihn in diesem Moment mit ihrer ganzen Liebe. Vergessen hat sie, wie viel Mut es sie gekostet hat, in die Gesellschaft hineinzuplatzen, obwohl sie nicht eingeladen war und das Essen schon begonnen hat.
Dass das Ärger hervorruft bei den anderen, ist klar. Einfach das Essen zu stören! Als Frau damals! Ein unmögliches Verhalten! Hat sie den Anderen ihren eignen Auftritt gestohlen? Vielleicht sind sie ja eifersüchtig oder neidisch. Dass Eine so ein teures Balsamöl hat! Vielleicht wären sie selbst auch gern Jesus so nahe gekommen. Vielleicht würden sie auch gern von der Frau und ihrem kostbaren Öl berührt werden. Sie kleiden ihre Eifersucht in ein sehr vernünftiges Argument.
Oder vielleicht sind sie ja tatsächlich so vernünftig und praktisch in ihrem Denken und Fühlen – auch das ist möglich.
Diese Frau wollte ein Zeichen setzen: So wie Jesus Gottes Menschenfreundlichkeit gelebt hat, so wollte nun auch sie liebevoll zu Jesus sein. Hat diese Frau etwas gespürt, welchen Weg Jesus wird gehen müssen? Hat sie etwas geahnt, welchem Hohn, welchem Spott, welcher Folter und Schmach Jesus entgegengeht? Oder war ihr nur wichtig, dass sie Jesus wie einen König salbt? Jemanden Besonderer, Einzigartigen!
Der nicht wir Könige sonst damals auf einem Pferd geritten kam, sondern auf einem Esel, das ganz normale Reittier der Menschen einst, der für die Menschen da war.
Wollte sie zeigen: Wie kostbar ist dieser Leib Jesu – mit dem er geheilt hat, Menschen berührt und angerührt hat, mit anderen gefeiert, gefastet, gebetet und gepredigt. Und unterwegs war - zum Schluss in Jerusalem.
Jesus sagt: Sie hat mich zum Begräbnis gesalbt.
Können oder wollen die Anderen nicht verstehen, welchen Weg Jesus gehen muss?
Kann es sein, dass Sie und ich nicht immer verstehen oder spüren wollen, warum Jesus gestorben ist? Dann ist es einfacher, zu sagen: man hätte den Armen etwas geben können….
Jesus sagt nicht, dass die Fürsorge und die Spenden für die Armen sinnlos sind. Im Gegenteil, das alles soll bleiben, sagt Jesus, und zwar immer.
Und er sagt, dass es manchmal Zeiten gibt, in denen nicht nach dem Nutzen und dem Zweck gefragt werden darf. Es gibt Situationen, da darf keine Rechnung aufgestellt werden, manchmal darf nicht nach der Aussicht auf Erfolg gefragt werden.
Taten der Liebe sind nicht immer begründbar, nicht verstehbar. Sie sind Hingabe und mitunter Verrücktheit. Und Jesus nimmt die Frau gegen die Vorwürfe in Schutz. Er sagt dabei nicht, dass Sie und ich immer alles gedankenlos verschwenden sollen. Er sagt nicht, dass die Überlegungen, was für einen guten Zweck und was nützlich ist, wegfallen sollen. Nur: Die Frau hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Das ist nicht die Aussicht auf einen Erfolg. Jesus nimmt davor noch eine wohltuende Verschwendung an und genießt sie, ohne das Schwere, was ihm bevorsteht auszublenden – vielleicht gerade deswegen kann er das Schöne besonders genießen.
Es gibt Situationen, in denen das Zweckmäßige gerade nicht das richtige ist. Alles hat seine Zeit. Liebe, Nächstenliebe, kann auch im kleinen geschehen und seine Wirkung haben, gerade in Zeiten der Not. Ein Telefonanruf, schöne Musik, beten, auch füreinander beten, ein Lächeln trotz Mundschutz, eine freundliche Stimme und wohltuende Worte - Ihnen fällt vermutlich noch anderes ein. Gottes Menschenfreundlichkeit wird spürbar durch das Verhalten anderer Menschen.
Und ich denke an die Karwoche – gerade jetzt: Den Jubel heute, dann an Gründonnerstag das Festmahl am Pessachfest, das letzte Abendmahl Jesu Christi und die Fußwaschung Jesu bei seinen Jüngern,
danach das Gebet, „nicht mein Wille geschehe“ – die Stille;
die Gefangennahme, der Verrat - und dann Leiden und Tod am Karfreitag.
Jesus wird seinen Weg gehen, damit Sie und ich spüren können, dass Gott alle unsere Wege begleitet, dass Gott in Jesus bei allen Menschen ist.
Selbst dann, wenn Sie und ich nicht mehr weiter wissen, Angst haben, wenn es dunkel ist, gerade jetzt.
Und wer weiß: wie viele Frauen und Männer diese Geschichte von der Salbung später - als eine Geschichte voller Freude entdeckt haben!
Auch wenn wir den Namen dieser Frau nicht wissen! Dass Jesus so voller Sympathie, voller Hingabe und Liebe vor dem Weg in den Tod von diesem kostbaren Öl berührt worden ist. Die einfühlenden Gesten der Frau, die Zuwendung enthalten letztlich Tröstung. Sie lindern Angst und Einsamkeit und geben Kraft, alles durchzustehen.
Eine Kollegin schreibt: Wie wäre Jesus in den Tod gegangen, ohne diese zärtlichen Berührungen? Sie sind ein heller Fleck im dunklen Geschehen. In dieser Geschichte ist bereits die Auferstehung im Keim angelegt. Diese Berührungen machen Jesus, den Todeskandidaten, zu Christus, dem Auferstehenden.
Das ist die verwandelnde Kraft der Liebe.
Das ist das Geheimnis von Tod und Auferstehung.
Oder wie Erich Fried dichtet:
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe.
AMEN.
Zuständig für die Seelsorge im ökum. Team im Krankenhaus Sigmaringen und in den Seniorenheimen Fideliswiesen und Josefinenstift.
SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen
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